Restaurierung eines audio 2/2 (TC45/1)

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henry2
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Restaurierung eines audio 2/2 (TC45/1)

#1 Beitrag von henry2 » 03.05.2017, 21:21

Liebe Braun-Freunde,

gerade ist mein letztes Projekt fertig geworden. Es war die Restaurierung eines audio 2/2 (TC45/1). Das Design der Produktlinie audio 2 bis audio 310 gefiel mir schon immer sehr gut und in der Vergangenheit war es auch stets mein Wunsch gewesen, eine audio 310 zu besitzen.

Mit der Zeit hatte sich dieser Wunsch doch ein wenig relativiert, denn nachdem bei mir schon seit längerem eine Studio 1000-Anlage Einzug gehalten hatte, erschien mir der reine Gebrauchswert einer audio 310 eher zweitrangig. Mein Gefallen an deren Aussehen blieb jedoch unverändert bestehen. Der Zufall kam mir dabei zu Hilfe, mir diesen Wunsch doch noch erfüllen zu können. Er kam in Form eines "Garagenfundes" bei Andreas (Schnadt) daher und Andreas bot mir an, den Fund (nämlich eine audio 2/2) mitnehmen zu dürfen, wenn ich das gerne möchte. Ich war begeistert und griff beherzt zu. Deshalb nochmals mein herzliches Dankeschön an Andreas.

Nun war dieser Garagenfund natürlich kein ausgesprochenes Ausstellungsstück. Der Zahn der Zeit hatte schon sehr seine Spuren an ihm hinterlassen. Aber ich dachte mir, dass er sicherlich wieder einigermaßen in Ordnung zu bekommen wäre; war er doch ein früher Vertreter der von mir so geschätzten Audio-Reihe.

Jedoch kam ich lange Zeit überhaupt nicht dazu, mich um das Gerät zu kümmern; so gab ich mir erst Anfang dieses Jahres den Startschuss für den Beginn der Arbeiten.

Leider habe ich verpasst, ein Foto von der Tragplatte des Plattenspielers zu schießen. Sie war in einem noch schlechteren Zustand.
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Schritt 1: Outsourcing. Ich kontaktierte zunächst Herrn Wölker und fragte ihn, ob er die Abdeckplatte für das Empfängerteil und und die Tragplatte für den Plattenspieler sandstrahlen, neu lackieren und wieder bedrucken könne; auch der Plattenteller bedurfte einer Neulackierung. Herr Wölker sagte zu und so war zumindest ein wichtiger Teil der Arbeit schon mal weg.

Schritt 2: Vorarbeiten. So gut es möglich war, Säubern der Gehäuseteile, Kleinteile, Schrauben und Drehknöpfe. Natürlich musste auch die Plexiglashaube aufpoliert werden. Ich verwende hierzu mit recht gutem Erfolg Lackreiniger für stumpfe bzw. stark verwitterte Lacke.

Ansicht von oben nach Abnehmen der Tragplatte. Sieht so recht luftig aus, aber da müssen noch die Innereien des Plattenspielers dazwischen passen.
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Die Tragplatte von unten
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Schritt 3: Zerlegen des Plattenspielers. Da dieser durch die Demontage der Tragplatte bereits weitgehend auseinander gebaut werden musste, nahm ich die Gelegenheit wahr, dessen Einzelteile zu säubern und wieder zu schmieren. Der Motor erschien mir auch etwas schwergängig zu laufen, weshalb er zerlegt wurde. Die Bleche des Läufers waren schon ein bisschen mit Flugrost bedeckt, den ich jedoch fast vollständig entfernen konnte. Nach dem Ölen der Lager lief der Motor wieder schön leichtgängig.

Einblick in das Empfängerteil
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Die Endstufe vor der Reparatur
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Schritt 4: Rundumschlag. Erneuern sämtlicher Elkos im Gerät. Seien sie geschraubt, auf Lötösen verdrahtet oder auf Platinen bestückt – frei nach dem Slogan: Alles muss raus! (Und das schon nach 53 Jahren.)

Schritt 5: Endstufe. Die Netzsicherung wurde von einem umsichtigen Vorbesitzer in einer 2 Ampere-Variante eingesetzt, vermutlich mit dem fürsorglichen Hintergedanken, dass ihr ja nichts passieren sollte. Ich wagte es dennoch, sie gegen eine solche mit dem vorgeschriebenen Nennstrom von 315 mA auszutauschen. Und siehe da, sie hielt. Ob das daran lag, dass beide Endstufensicherungen durchgebrannt waren? Nach Ablöten der Endtransistoren (AD131) ergaben die Messungen, dass alle vier einen Kurzschluss aufwiesen. Natürlich habe ich sie erneuert.

Da Treiber- und Endstufentransistoren galvanisch gekoppelt sind, lag der Verdacht nahe, dass der Schluss in der Endstufe die Treibertransistoren ebenfalls mit ins Nirwana rissen. Ich habe sie deshalb erst mal im linken Kanal ausgelötet, gemessen, und sie waren O.K. Voller Hoffnung wieder eingeschaltet und mit einem leisen "Pitsch" hatte sich der Schmelzdraht der Sicherung des rechten Kanals in feinstem Metallstaub an der Innenseite des Glasröhrchens niedergeschlagen – wo er doch gar nicht hin sollte! Nochmal die beiden schönen neuen Endtransistoren geprüft – sie waren hinüber. Nun die Treibertransistoren durchgemessen (was ich zuvor sträflich unterlassen hatte): Einer der beiden Komplementärtypen, der AC153, wies ebenfalls einen Kurzschluss auf und beförderte auf diese Weise die nachfolgenden Endtransistoren in den Tod.

Hätte ich mich doch nur nicht auf meine Annahme verlassen, dass beide Kanäle auf die gleiche Weise defekt gegangen sind. Resultat: Verbrauch von 6 Stk. AD131 anstatt von deren nur 4 Stk. + unnötiges Ärgernis + unnötige Arbeit. Was lernen wir daraus? Immer zuerst messen!

Nun ja, nach dem Erneuern des AC153 (und nochmals der beiden AD131) haben beide Kanäle wieder funktioniert, so dass dann nur noch der Ruhestrom neu eingestellt werden musste.

Die Endstufe nach der Reparatur
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Kurze Rückblende zu den "komplementären" Treibertransistoren. Die sind ja so wenig komplementär zueinander, dass es kaum noch weniger geht. Ich wunderte mich schon ein wenig darüber, dass man als komplementäres Treiberpaar einen Germaniumtransistor (AC153) und einen Siliziumtransistor (BFY40) gewählt hatte. Als ich aber alle damaligen Datenbücher von Siemens, Telefunken, Valvo und SEL durchforstete, fand sich weder ein komplementäres Germanium- noch ein Siliziumpaar, das den Anforderungen an Spannungsfestigkeit und zulässiger Verlustleistung genügte. Es gab zu der Zeit wohl nichts Geeignetes, weshalb man sich für diese Germanium-/Silizium-Zwangsehe entschied. Angesichts der Kosten für den alternativen Einsatz zweier ordentlicher Treibertrafos aber eine leichte Entscheidung.

Schritt 6: Abgleicharbeiten. Notwendiger Abgleich des Stereodecoders (war ziemlich daneben), Überprüfen des AM/FM-ZF-Verstärkers; es gab dort nur wenig nachzugleichen. Der anschließende Test über die wiederhergestellte Endstufe ergab eine prima FM-Stereowiedergabe, wie ich sie mir nicht besser gewünscht hatte.

Das Empfängerteil nach der Reparatur
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Im Vordergund der Vorverstärker
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Der Stereodecoder
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Der AM/FM ZF-Verstärker
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Das AM-HF-Teil, im Hintergrund der UKW-Baustein unter der Abschirmhaube
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Schritt 7: Wieder zurück zum Plattenspieler. Zusammenbau auf der Tragplatte und Justierarbeiten. Ein Vorbesitzer (oder dessen Hilfswissenschaftler) hatte die vier Drähtchen der Tonarmverkabelung knapp unterhalb der Tragplatte ziemlich grob abgetrennt. Weshalb er das tat, hat sich mir bis heute nicht erschlossen. Mit viel Fingerspitzengefühl gelang es, sie wieder zusammenzufügen.

Aber auch mir war ein Lapsus unterlaufen, denn schon bei der Demontage beschädigte ich den kleinen Kunststoffnippel auf dem 0/1-Schieber. Thomas (tomjorg) und Gerd (carlos) stellten mir beide dankenswerterweise Ersatz zur Verfügung, der nun wieder in heiler Form seinen Platz gefunden hat.

Neu justiert werden mussten dann lediglich noch die rundum gleichmäßige Distanz des Plattentellers zur Tragplatte (3-4 mm) sowie bei der Wirbelstrombremse der mittige Abstand der Bremsscheibe an der Stufenwelle zwischen Haltewinkel und Magnet. Alles andere passte glücklicherweise noch.

Schritt 8: Abschlussarbeiten. Bodenplatte anbringen, Plattenspieler wieder im Gehäuse versenken, Subteller, Riemen, Plattenteller und Gummimatte drauf, Abdeckplatte des Empfängerteils montieren, alles festschrauben, Knöpfe dran, Metallteile wieder an die Plexiglashaube anschrauben, Haube anbringen.

Fertig
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Schluss: Gerät anschließen und alles testen. Tatsächlich, alles funktioniert nun ausnahmslos wieder einwandfrei. Ich bin wirklich zufrieden, besonders auch mit den sehr gut gelungenen Arbeiten von Herrn Wölker an den Trag- und Abdeckplatten und am Plattenteller.

Zum Glück bietet das neue Regal in meiner Arbeits- und Bastelstube nun auch ein Plätzchen (rechts oben) für meine neue audio 2.
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Jetzt ist erst mal wieder Pause.

Viele Grüße

Heinrich

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tomjorg
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Re: Restaurierung eines audio 2/2 (TC45/1)

#2 Beitrag von tomjorg » 03.05.2017, 21:29

Sauber, sauber, Heinrich, sieht alles richtig schick aus!

Herzlichen Glückwunsch

Thomas
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Wilhelm
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Re: Restaurierung eines audio 2/2 (TC45/1)

#3 Beitrag von Wilhelm » 03.05.2017, 22:09

Hallo Heinrich,
auch von mir Glueckwunsch zur gelungenen Restaurierung der audio 2. Sieht prima in Deinem Regal aus! :thumb: :thumb:
Den Arbeitsaufwand kann man nur dann anerkennen, wenn man solch alten Geraete selbst einmal instand gesetzt hat.

Viele Gruesse
Wilhelm

andreas schnadt
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Re: Restaurierung eines audio 2/2 (TC45/1)

#4 Beitrag von andreas schnadt » 03.05.2017, 22:20

Moin Heinrich,
ich bin froh, dass sie in Deine Hände gekommen ist und eine so schöne Wiederauferstehung erleben durfte! Das war wieder einmal ein beispielhafter Restaurationebericht von Dir, immer wieder eine Freude zu lesen; meinen herzlichen Glückwunsch zur gelungenen Reparatur!
Sonnige Grüße aus dem hohen Norden Andreas
Viel Freude beim Hören !

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Uli
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Re: Restaurierung eines audio 2/2 (TC45/1)

#5 Beitrag von Uli » 04.05.2017, 08:24

Moin!

Hammer, Du bist glaube ich der Einzige in Deutschland der die alten Schätzchen wieder so perfekt hin bekommt!

:aberhallo:

LG... Uli

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Re: Restaurierung eines audio 2/2 (TC45/1)

#6 Beitrag von Georgio » 05.05.2017, 16:07

Hallo Heinrich,

ein toller Bericht und ein sehr schönes Ergebnis Deiner Restauration.
Dein Bastelzimmer mit dem schönen Regal und den noch schöneren
BRAUN-Geräten ist ebenfalls ein Augenschmaus.
Da kann man Dich nur beglückwünschen, super!

Hut ab, Gruß Georgio
FAIR geht vor!

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Re: Restaurierung eines audio 2/2 (TC45/1)

#7 Beitrag von Jens » 05.05.2017, 19:57

Hallo Heinrich,

Du bleibst Dir wirklich treu... 8). Eine spitzen Restaurierung und ein toller Bericht :thumb:. Ich habe Deinen Beitrag gleich mal " festgenagelt".

Danke & Gruß,
Jens
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Re: Restaurierung eines audio 2/2 (TC45/1)

#8 Beitrag von Paparierer » 06.05.2017, 00:31

...hab länger überlegt, was ich schreiben soll...

Ich behaupte jetzt einfach mal frech, dass ein vor 50 Jahren fabrikfrisch eingepacktes Gerät nicht besser in Schuss sein könnte - weder technisch noch optisch. Einfach KLASSE! Heinrich!

Gruß, Gereon
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meistens ist es was mechanisches...
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Re: Restaurierung eines audio 2/2 (TC45/1)

#9 Beitrag von thoman » 06.05.2017, 22:38

......wenn man den Menschen, der hinter diesem wundervollen Restaurationsbericht steht, schon mehrmals persönlich treffen konnte: da stimmt einfach das Gesamtpaket.....

Liebe Grüße und hoffentlich wieder bis bald
Thomas
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Re: Restaurierung eines audio 2/2 (TC45/1)

#10 Beitrag von henry2 » 06.05.2017, 23:49

Hallo zusammen,

Euch allen vielen Dank für Euer positives Feedback, über das ich mich sehr gefreut habe. Wisst Ihr, solche Restaurierungen – oder seien es auch nur Instandsetzungen – sind mir allemal ein Vergnügen gewesen. Es kommt dabei auch immer mal wieder vor, dass ich an gute alte Zeiten erinnert werde. Schönes Hobby! Besonders, wenn man es mit anderen Gleichgesinnten teilen kann.

Viele Grüße

Heinrich

FrankOL
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Re: Restaurierung eines audio 2/2 (TC45/1)

#11 Beitrag von FrankOL » 16.05.2017, 12:50

Einfach sensationell. Tolle Bilder, toller Text und einfach eine traumhafte Anlage. Ich bin seit kurzem stolzer Besitzer einer audio 300 und kann deine Begeisterung in vollem Umfang nachvollziehen.
Ich bin auch einfach nur happy mit meinem Prachtstück. Sie kann mit deiner Anlage zwar weder hinsichtlich optischem , noch technischem Zustand mithalten, aber darum gehts ja auch nicht. Wünsche dir auch weiterhin genauso viel Vergnügen mit deiner Anlage, wie ich mit meiner habe...
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Braun audio 300 mit braun l 410
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Re: Restaurierung eines audio 2/2 (TC45/1)

#12 Beitrag von NLC » 30.09.2017, 13:01

Wow, tolle Arbeit!

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