Tonbandsuper SK55 TB

Gewerbliche Umbauten müssen als solche gekennzeichnet werden!
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braunfreund
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Tonbandsuper SK55 TB

#1 Beitrag von braunfreund » 12.11.2011, 12:26

Ein Projekt für Nostalgiker !

Seit Ende der 50iger Jahre kam das Tonbandgerät immer mehr in Mode. Man konnte damit die neuesten Hits (damals "Schlager" genannt) vom Radio aufnehmen und den Kauf der Schallplatten sparen. Es war bei Braun die Blütezeit der Schneewittchensärge, die ab dem SK4-1 einen genormten Anschluss für ein Tonbandgerät haben. Nur: es gab kein im Design dazu passendes Tonbandgerät. Die üblichen Geräte waren rundliche Koffer mit Tragegriff- so etwas neben die "moderne" Stil- Ikone zu stellen- igitt.
Die Idee wäre gewesen, eine Version des Sarges mit Tonbandgerät statt Plattenspieler herauszubringen. Braun hatte kein passendes Gerät, man hätte aber eines zukaufen können, etwa von Telefunken. Mit Telefunken gab es Geschäftsbeziehungen- man kaufte dort den Plattenwechsler TW504 für Musikschränke und alle Fernsehchassis.

Also: Wie könnte ein "Tonbandsuper" ausshen ?

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Ein Bekannter brachte mir einen SK55 ohne Plattenspieler, den er auf dem Sperrmüll gefunden hatte. Er war beschädigt, aber das Radio spielte noch. Was tun damit ?
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Das kleinste, netzbetriebene Tonbandgerät in zeitgemäßer Röhrentechnik ist das UHER 500. Es stand nutzlos herum. Eine Messung ergab, dass ein Einbau dieses Gerätes in den Plattenspielerausschnitt des SK55 möglich ist!

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An der Vorderseite war es nötig, den SK55 entsprechend der Rundung des (blechernen!) Tonbandgerätegehäuses auszusägen. Die Stichsäge brauchte mit einem Dünnblechsägeblatt fast 10 Minuten. Das Bandgerät wurde von unten eingesetzt und mit 4 Schrauben am umlaufen Bund des Ausschnittes befestigt.
Da das Runde jetzt im Eckigen sitzt, blieben an den Ecken vier "Löcher", die mit Pappe abgedeckt wurden.

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Mit etwas Farbe (habe vorhandene Farbtöne benutzt) wurde das Tonbandgerät dem Braun- Look angepasst, die Bedienelemente im Sinne von Dieter Rams in Grautönen.
Für den Puristen ist das natürlich Bastelkram. Meine handwerklichen Fähigkeiten lassen es aber nicht zu, eine neue exakt passende rechteckige Frontplatte aus Blech neu anzufertigen. Das UHER- Schild kann auch entfernt werden.

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Im Innern des SK55TB steckt jetzt viel Technik, er ist ca. 5 kg schwerer geworden. Das Radiochassis SK32 wurde unverändert gelassen, die Verbindungen zum Tonbandgerät intern hergestellt. Lautsprecher und Netztrafo des SK55 konnten am originalen Platz montiert werden. An die DIN- Buchse lässt sich noch ein Plattenspieler anschließen.

Die Abdeckhaube passt allerdings nicht mehr, da das Bandgerät höher ist. Die Seitenhölzer müssten um 1cm erhöht werden.
Insgesamt ein Gerät in stimmiger Optik und guter Funktion. Mit 360m Doppelspielband (13cm- Spulen) läuft das Bandgerät 2x 1 Std. (9,5 cm/s) und nimmt bis 14 kHz auf.

P.S. Braun brachte 1978 das C4000 als Cassettenrecorder- Receiver- Kombination heraus, ein Gerät mit ähnlicher Grundfunktion. Es kam zur falschen Zeit und war potthässlich. Dem SK55TB wäre es vielleicht besser ergangen, er hätte allerdings ca. 550 DM gekostet.

Gunnar
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Re: Tonbandsuper SK55 TB

#2 Beitrag von Gunnar » 13.11.2011, 18:16

Hallo braunfreund,

die Arbeit, die Du Dir gemacht hast sieht ja ganz gut aus.
Aber meiner Meinung nach geht das Designtechnisch gar nicht. Das passt einfach nicht zusammen (außer daß das Uher auch weiß ist....)

Aber wie bei allem im Leben - Über Design lässt sich ja streiten ;-)

Gruß
Gunnar

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#3 Beitrag von simon » 13.11.2011, 19:09

Braunfreunds Idee, eine Schneewittchensarg-Leiche mit einem Tonbandgerät zu versehen, finde ich klasse, auch weil sich dadurch Alltagstauglichkeit (wieder-)herstellen lässt: Oder vertraut hier jemand sein Vinyl wirklich noch einem Schneewittchensarg an?

Daß das dann nicht 100%ig stimmig ist, ist auch authentisch: der ursprünglich vorhandene Wagenfeld-Plattenspieler, insbesondere der sehr "organische" Tonarm, ist beim SK4/5 auch nicht so sehr zum Restentwurf passend. Beim SK6 und SK55 wurde der Tonarm folgerichtig aktualisiert.

Aber:
Die Abdeckhaube passt allerdings nicht mehr, da das Bandgerät höher ist.
Schneewittchensarg ohne durchsichtigen Sargdeckel? Kann man das Tonbandgerät wirklich nicht tieferlegen, damit der Deckel passt? Vielleicht ein Uher Report?

Viele Grüße, Simon

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#4 Beitrag von wickerge » 13.11.2011, 20:36

Hallo zusammen,
die Idee finde ich pfiffig! Allerdings würde ich schon noch ein zweitesmal über eine rechteckige Frontplatte nachdenken, nachdem das Gerät jetzt gut funktioniert. Es gibt z.B. eine Firma Schaeffer, die Frontplatten nach selbst konstruierten Vorlagen fräst. Zum Entwerfen gibt es ein leicht zu bedienendes Feeware-Programm. Dann könnte man das Tonband auch etwas tieferlegen und man könnten bei der Gelegenheit die Bedienknöpfe "auf Linie" bringen. Dieter Rams hat ja immer die Bedienelemente sauber ausgerichtet. Beim Uher-Gerät folgt die Anordnung der unteren seitlichen Knöpfe ja eher dem Zwang der abgerundeten Gehäusekontur.

Herzliche Grüße
Gerhard Wickern

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#5 Beitrag von fnerstheimer » 14.11.2011, 00:10

kleiner Tipp:

Ich würde mir an Deiner Stelle mal das Grundig TK9 oder TM9 anschauen.

En Bloc ist das Gerät zwar zu massig für den Schneewittchensarg, es ist aber relaisgesteuert, und lässt sich zerlegen und im Gehäuse "verteilen". im Prinzip kann man ein TK9 komplett zerlegen und die Einzelteile so anordnen, wie es am besten passt.

Bei dem Uher-Gerät bist Du auch aufgrund der Mechanik zu sehr auf ein Tastenlayout festgenagelt, das schlecht zum Schneewittchensarg passt.

Gruß Frank
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#6 Beitrag von braunfreund » 14.11.2011, 21:18

Hallo zusammen

nachdem mein Projekt ein so unterschiedliches Echo gefunden hat, hier einige Antworten:

1) Ich finde das Tonbandgerät nicht zu massig, da es die Einbaumaße des Plattenspielers nicht überschreitet. Natürlich ist es nachteilig, dass es nicht wie der Plattenspieler mit der oberen Gehäuseebene bündig abschließt.

2) Ich hätte das Bandgeät auch gerne tiefergesetzt. es kommt dann aber zum Konflikt mit dem Lautsprechermagneten. Es müsste dann ein Flachlautsprecher mit im Membrankegel liegenden Magneten eingesetzt werden, wie er im Deckel alter Kofferplattenspieler zu finden war. Der ließe sich (im DIN- Normmaß 15x21 cm) evtl. auftreiben. Der Netztrafo des Radios müsste anderswohin verlegt werden, etwa direkt mit aufs Radiochassis wie beim SK5. Das RC32 hat ja nur deshalb einen abgesetzten Netztrafo, weil es auch im RT20 steckt und dort ein auf dem Chassis liegender Trafo über das oben "dünne" Gehäuse nach hinten hinausgestanden hätte.

3) Eine neue Frontplatte durch eine externe Werkstatt anfertigen zu lassen, das ist natürlich immer machbar. Ich wollte allerdings hier nicht mit höherem finanziellem Aufwand ein "perfektes" Gerät schaffen, sondern zeigen, wie ein damals evtl. erfolgreiches Gerät hätte aussehen können. Hätte Braun das selbst gemacht, wäre natürlich alles auf gleicher Höhe, und man hätte das Bandgerät konstruktiv angepasst.

4) Da ich mich auch seit Jahren mit Tonbandgeräten befasse, zur Auswahl des Bandgerätes:

Das UHER Report ist ungeeignet, da es frontseitige Bedienelemente hat. Den mit der Mechanik gekoppelten Kulissenschalter für die Bandgeschwindigkeit kann man nicht nach oben verlegen.

Das Reverse- Tonbandgerät Grundig TK9/TM9 wirkt zwar von oben sehr kompakt, hat aber wegen der 15cm Spulen größere Einbaumaße. Hier hätte man die Oberseite des Sarges großflächig aussägen müssen. Auf der rechten Seite kommt man in Konflikt mit der Lötösenleiste des Radios, das UHER passt millimeterscharf gerade so hinein. Soweit ich mich erinnern kann, baut das TM9 auch sehr hoch (zu hoch?). Die frontseitige Bedientastenleiste ist mit dem untenliegenden Röhrenchassis fest verbunden, hält das Laufwerk mit fest und kommt in Konflikt mit dem SK55- Lautsprecher. Geht deshalb wahrscheinlich nicht hinein.

Ich hatte als Alternative noch ein Telefunken Magnetophon 75 oder 76 ohne den äußeren Blechrahmen des Koffers untersucht. Es ist von der Bautiefe her etwas flacher als das Uher, wäre aber auch an den Lautsprecher gestoßen. Die Plastikfrontplatte mit den Zierrippen hat etwas zu sehr 50er Jahre Look, außerdem lief es wegen der Probleme mit den Motor- und Schwungrsdlagern nicht zuverlässig.

Das Hochsetzen der Haube um 1 cm mit neuen Seitenleisten verändert die Maßproportionen des Sarges meines Erachtens nicht auffallend negativ, ein danebengestellter L1 würde nach wie vor bis zur originalen Bedienebene des aufgeklappten Gerätes reichen. Ein Ausschnitt im Plexiglas wie beim Plattenspieler ist nicht nötig, da die Tonbandspulen nicht über die Kontur des Gerätes hinausreichen (wie beim TG60!).

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#7 Beitrag von fnerstheimer » 14.11.2011, 21:32

da hast Du mich missverstanden. Ich hatte nicht gemeint, dass Du das TK9 en bloc in den Schneewittchensarg einbauen sollst, habe ja sogar geschrieben, dass das TK9 zu massig ist, um am Stück eingebaut zu werden.

Das TK9 ist aber eins der wenigen Geräte aus der Zeit, an dem alles elektrisch gesteuert wird. Dies erlaubt, die Einzelteile der Laufwerksmechanik und die Bedientasten frei anzuordnen. Klar würde das bedeuten, ein Tonbandchassis quasi selbst zu bauen - aber alle sonstigen Geräte sprengen durch ihre Bedienknöpfe das Design des Schneewittchensargs.

Wenn es nicht eilt - ich grabe mal mein Schlacht-TK9 aus, sobald ich die Werkstatt wieder eingeräumt habe, und schaue nach, wie weit man die Mechanik noch verdichten kann.

Gruß Frank
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#8 Beitrag von simon » 14.11.2011, 22:37

Guten Abend!
Das UHER Report ist ungeeignet, da es frontseitige Bedienelemente hat. Den mit der Mechanik gekoppelten Kulissenschalter für die Bandgeschwindigkeit kann man nicht nach oben verlegen.
Der zweite Satz stimmt. Ob das Uher Report deswegen ungeeignet ist, hängt freilich von der Anwendung ab. Mir wäre eine Bandgeschwindigkeit bei überzeugender Optik wichtiger als alle verfügbaren Bandgeschwindigkeiten verbunden mit Abstrichen bei der Gestaltung.

In diesem Fall würde ich "function follows form" praktizieren, weil man das historisch-fiktive Gerät zwar jeden Tag anschauen wird, aber höchstens einmal im Jahr benutzt (jedenfalls ist das meine Erfahrung mit den Schneewittchensärgen).

Nun ja, jeder macht's, wie es ihm gefällt, und Franks Vorschlag, eine "TK 9-Cloud" einzubauen, hat auch etwas.

Viele Grüße, Simon

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#9 Beitrag von fnerstheimer » 15.11.2011, 09:13

"TK9-Cloud" ist gut :mrgreen: .

ich finde solche Bauprojekte immer richtig spannend - trotz oder gerade wegen der totalen Sinnfreiheit . Und ganz nebenbei ist es noch eine Möglichkeit, Schrott- und Schlachtteilen ein neues Leben zu geben.

Hier mal ein interessanter Link zu den gesellschaftlichen Aspekten dieser Art von "Kunst":

http://www.marke-eigenbau.org/

Gruß Frank
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