Reparaturtipps für Kofferradios der 5er-Serie

Kofferradios und der Weltempfänger T 1000
Antworten
Nachricht
Autor
wickerge
Braun-Spezi
Braun-Spezi
Beiträge: 1166
Registriert: 26.05.2009, 21:52

Reparaturtipps für Kofferradios der 5er-Serie

#1 Beitrag von wickerge » 06.06.2015, 22:00

Hallo zusammen,
damit es die Forensuche auch findet: diese Hinweise betreffen die Modelle T52, T510, T520, T521, T523, T530, T 540 und T580.

Nachfertigung des Antennenknopfes (der leider häufig abgebrochen ist).
Die 5er-Radios haben einen charakteristischen flachen Knopf, den man bei mordernen Teleskopantennen nicht passend findet. Basis für die Ersatzlösung ist die eine Häfte eines Hohlnietes aus dem Baumarkt (Nennmass 4,0 x 10 mm). Mit einem Dremel mit Trennscheibe wird der eigentliche Niet abgetrennt, so dass nur die Kappe mit etwas Ansatz bleibt. Dort wird eine 2,5 mm Aderhülse eingepasst und mit reichlich Lötzinn festgelötet. Dabei darauf achten, dass die Aderhülse genau senkrecht steht. Hier ein Bild der verschiedenen Arbeitsschritte:


Bild

Dann die Unterseite mit Schlüsselfeile in die richtige Form bringen und zum Abschluss mit feiner Stahlwolle nachpolieren. Die Aderhülse wird dann mit der Dremel-Trennscheibe auf die richtige Länge abgeschnitten. Den Knopf dann mit 2Komponentenkleber auf dem Antennenende festkleben.
Wenn das letzte Glied aus Vollmaterial zu tief in das vorletzte Glied hineingerutscht ist, hilft folgendes Vorgehen. Die Antenne ganz einschieben und das letzte Teilstück mit einem 1 mm Bohrer an der Stirnseite anbohren. Eine Lochtiefe von ca 2 mm genügt. Dann mit einem feinen Haken (aus einer Sicherheitsnadel gebogen) in´das Loch haken und das Segment herausziehen.

Hier ein Bild Original (links) zu Nachfertigung. Der bräunliche Schimmer bei der Nachfertigung ist eine Spiegelung, der Nietkopf bleibt auch nach dem Löten schön silbrig blank.

Bild

Bei der Nachfertigung habe ich auch die letzten 5 Glieder ersetzen müssen. Hier gibt es leider keine universelle Lösung, da man stark von dem momentan erhältlichen Basismaterial abhängt. Wenn man an der Schlachtantenne unten den Fuss und oben den Knopf abtrennt, kann man sie normalerweise komplett zerlegen, ggfs auch kürzen und neu zusammenbauen. Problem ist, das man bei der neu aufzubauenden Braun-Antenne den Fuß nicht abtrennen kann, da man ihn nicht wieder neu befestigen kann. Man muss den nachgefertigten Teil von oben in das alte Teilstück einbringen, ohne den Bördelrand ganz zu zerstören. Ohne Kompromisse bei Optik und Haltbarkeit ist das nur schwer möglich. Wenn man dann mit zuviel Schwung die Antenne auszieht, hat man den neuen Teil schnell wieder einzeln in der Hand.

Skalenseil und Skalenzeiger ersetzen.
Das Skalenseil hat einen Durchmesser von 0,5 mm (sollte auch nicht dicker sein) und eine Länge von Schlaufenende zu Schlaufenende von 875 bis 880 mm. Gespannt wird es mit einer Spiralfeder auf der Rückseite des DrehKo-Antriebsrades.

Bild

Der Skalenzeiger ist aus 1 mm Stahldraht gebogen und hellblau lackiert.

Bild

Hier die Seilführung auf dem DrehKo-Antriebrad bei voll eingefahrenem DrehKo:

Bild

und hier am Drehknopf für die Senderwahl

Bild

Die Seilführung am Skalenzeiger (von der Rückseite fotografiert)

Bild

Für die Sicherung der Schlaufen kann man übrigens auch abgetrennte Aderhülsen verwenden.


Herzliche Grüße
Gerhard

Benutzeravatar
Rainer Hebermehl
Lautsprecher-Profi
Lautsprecher-Profi
Beiträge: 1218
Registriert: 29.06.2009, 13:55
Wohnort: Ronneburg

Re: Reparaturtipps für Kofferradios der 5er-Serie

#2 Beitrag von Rainer Hebermehl » 07.06.2015, 10:02

Hallo Gerhard,

Deine Tips sind EINSAME SPITZENKLASSE !

Gruß
Rainer
Aus dem Radio steigt der Rauch - Soll er auch.

Benutzeravatar
v/d/b
Braun-Insider
Braun-Insider
Beiträge: 2765
Registriert: 13.01.2009, 18:37
Kontaktdaten:

Re: Reparaturtipps für Kofferradios der 5er-Serie

#3 Beitrag von v/d/b » 07.06.2015, 10:02

Hallo Gerhard,
das ist ein sehr schöner Beitrag geworden!
Ich habe ihn mal auf "wichtig" gesetzt.

Viele Grüße
Thomas

wickerge
Braun-Spezi
Braun-Spezi
Beiträge: 1166
Registriert: 26.05.2009, 21:52

Re: Reparaturtipps für Kofferradios der 5er-Serie

#4 Beitrag von wickerge » 08.06.2015, 22:04

Hallo zusammen.
eine kleine Ergänzung: nachdem ich jetzt mehrere Skalenseile aufgezogen habe, würde ich als Länge eher 880 mm und nicht kürzer empfehlen.

Herzliche Grüße
Gerhard

wickerge
Braun-Spezi
Braun-Spezi
Beiträge: 1166
Registriert: 26.05.2009, 21:52

Re: Reparaturtipps für Kofferradios der 5er-Serie

#5 Beitrag von wickerge » 26.11.2016, 14:05

Hallo zusammen,
nachdem der erste Teil sich nur auf die mechanischen Probleme bezogen hatte, will ich jetzt etwas zur elektrischen Seite der Restauration schreiben. Die Kofferradios der 5er Serie sind etwas anfälliger als die Geräte der ersten Generation, d.h. Transistor 1, Transistor 2, T22, ... Man findet häufiger Geräte ohne Funktion.

Daher will ich versuchen, einen systematischen Wiederinbetriebnahme-Prozess zu beschreiben. Das Öffnen des Gehäuses (dazu gibt es eine Anleitung hier im Forum) und den Anschluss von 9V setze ich voraus.

Als erstes wird der NF-Teil geprüft. Dazu über die DIN-Buchse eine Tonquelle anschliessen. Das Signal sollte mit guter Lautstärke wiedergegeben werden. Falls nicht, Lautsprecher-Chassis auf Funktion prüfen - diese sind öfter mal defekt; dann den Umschalter Radio zu DIN-Buchse ein paarmal betätigen - hat manchmal Wackelkontakt und dann den Koppelkondensator C 333 prüfen. Der hat häufig Kapazitätsverlust und das Gerät spielt z.B. nur noch sehr leise.
Zur Lage von C 333 steht im Anhang ein Bild vom Print der ZF-Platine. Ist der Lautsprecher tatsächlich defekt, kann man zum Testen einen anderen Lautsprecher über den DIN-Lautsprecheranschluss anstecken. Die Gegentakt-Endstufe ist selten defekt, mit den genannten Prüfungen sollte ein Großteil der Geräte verstärkerseitig laufen.
Lage C 333
Lage C 333

Sehr häufig geht der Verstärkerteil, aber ein Radioempfang ist auf keinem der Wellenbereiche möglich. Dann ist in der Regel einer der beiden AF 116 ZF-Transistoren defekt. Diese Germanium-Transistoren haben ein Problem mit dem Wachstum von Zinn-Kristallen im Inneren des Gehäuses, die dort Kurzschlüsse speziell zum Gehäuse verursachen. Das Gehäuse ist mit einem vierten Beinchen geerdet und dadurch führt der Schluss im Gehäuse zum Ausfall. Als erste Massnahme kann man dieses vierte Beinchen abkneifen oder ablöten (die Erdung ist für den Betrieb nicht notwendig) und kann dadurch den Transistor wieder zum Laufen bringen. Als Anlage 2 hänge ich ein Bild an, wo die "vierten Beinchen" in der ZF abzulöten sind. Das ist leichter als Abkneifen, da die Transistoren ohne Ausbau des Lautsprechers schlecht zugänglich sind. Nicht selten ist es aber bei dieser Lösung so, dass das Gerät kurzzeitig wieder spielt und dann der Transistor sich endgültig verabschiedet und das Gerät wieder verstummt. Auch kann es natürlich sein, dass das Entfernen der Erdung nicht hilft und das Radio weiter nicht funktioniert.
ZF-Platine mit Markierungen für die Lage der 4. Beinchen der beiden AF116
ZF-Platine mit Markierungen für die Lage der 4. Beinchen der beiden AF116

Dann ist eine relativ sichere Methode der Fehlersuche das Nachmessen der Emitterspannung an den beiden ZF-Transistoren. Am T4 sollten 0,1 - 0,6 Volt zu messen sein, am T5 1 - 1,5 Volt (Lage der Messpunkte siehe Anlage 3). Bei einer deutlichen Abweichung ist von einem defekten Transistor auszugehen. Als Ersatz (AF 116 sind nur noch schwer zu bekommen) verwende ich AF 200, mit denen ich bisher für die ZF gute Erfahrungen gemacht habe und die in der Bucht noch gut zu beschaffen sind.
Lage der Messpunkte für die Kontrolle der Emitter-Spannung inder ZF
Lage der Messpunkte für die Kontrolle der Emitter-Spannung inder ZF

Mit i.O.-Spannungen an den beiden Emittern sollte der Radioempfang zumindestens teilweise wieder gehen. Fehlerquellen sind dann noch korrodierte Kontakte der Wellenbereichumschaltung (häufiger betätigen), dann der schon angesprochene Umschalter zwischen Radio und DIN-Eingang (Tonblenden-Poti => mittlerer Drehregler axial herausziehen oder hereindrücken - deshalb hat nur der mittlere Drehregler auch eine Klemmschraube) und zum Schluss natürlich auch noch die 4. Beinchen der Transistoren im AM und FM-Teil. Der AF 116 im AM Teil ist gesteckt, da kann man das überflüssige Beinchen einfach hochbiegen. Beim AF115 im UKW-Teil kann man das Beinchen gut abkneifen, ohne etwas auszubauen.

Die Bilder gehören zu den Geräten T520, T510 und T523, die alle die gleiche ZF-Platine (520 - 070 haben. Für die anderen Geräte gilt aber - vermutlich - sinngemäß ähnliches.

Es würde mich freuen, wenn jemand mit dieser Anleitung sein Gerät wieder zum Laufen bringt.

Herzliche Grüße
Gerhard

wickerge
Braun-Spezi
Braun-Spezi
Beiträge: 1166
Registriert: 26.05.2009, 21:52

Re: Reparaturtipps für Kofferradios der 5er-Serie

#6 Beitrag von wickerge » 27.11.2016, 19:33

Hallo zusammen,
hatte heute nochmal ein T52 offen. Die Hauptplatine mit der ZF und dem NF-Teil ist sehr ähnlich und das oben gesagte gilt auch für den T52. Der problematische Kondensator C333 heißt beim T52 C51, sitzt an der gleichen Stelle und hat den gleichen Wert. Ich muss mich allerdings korrigieren, es ist kein Koppelkondensator, sondern er verbindet den Emitter des Treibertransistors der Endstufe mit Masse. Er war aber auch hier wieder die Ursache für mangelnde NF-Verstärkung.

Herzliche Grüße
Gerhard

Benutzeravatar
henry2
Moderator
Moderator
Beiträge: 1111
Registriert: 03.10.2010, 10:39
Wohnort: Markgräflerland

Re: Reparaturtipps für Kofferradios der 5er-Serie

#7 Beitrag von henry2 » 30.11.2016, 12:09

Hallo Gerhard,

Glückwunsch zu Deinem Beitrag zur Instandsetzung von Kofferradios der 5er-Serie. Er ist sehr gut und ebenso hilfreich für den allfälligen Reparateur. Ich hoffe, Du verzeihst mir ein paar zusätzliche Tipps allgemeiner Art, die ich in diesem Zusammenhang noch hinzuzufügen möchte.

- Von einem gewissen Kapazitätsverlust oder nahezu völligem Defekt des C333 bzw. C51 (beim T51) sind vermutlich auch andere Elkos im Gerät betroffen. Bei dieser Gelegenheit würde ich deshalb alle Elkos erneuern (Simon möge mir verzeihen).

- Den von Dir beschriebenen Funktionsverlust der AF116 (auch AF115) sollte man nicht dadurch beheben, indem der Anschluss für die Gehäuseabschirmung des Transistors abgeknipst oder hochgebogen wird. Diese Abschirmung wurde von den Halbleiterherstellern nicht ohne Grund vorgesehen. Sie verhindert im wesentlichen die kapazitive Auskopplung (in mancher Schaltungsumgebung auch eine Einkopplung mit umgekehrter Auswirkung) von HF über das Metallgehäuse des Transistors, die ohne diese Schirmung möglicherweise eine (natürlich unerwünschte) Rückwirkung auf benachbarte Komponenten verursachen würde. Der Austausch eines mit diesem Defekt behafteten Transistors sollte also Pflicht sein.

- Neben dem AF200 als Ersatz für den AF116 eignet sich auch dessen Nachfolgetyp AF126 (falls nicht zur Hand auch der AF138 von Telefunken); ein Substitut des AF115 wäre der AF125, notfalls käme auch der AF135 von Telefunken infrage.

Viele Grüße

Heinrich

wickerge
Braun-Spezi
Braun-Spezi
Beiträge: 1166
Registriert: 26.05.2009, 21:52

Re: Reparaturtipps für Kofferradios der 5er-Serie

#8 Beitrag von wickerge » 05.12.2016, 16:49

Hallo zusammen,
ein weiterer Nachtrag: die beiden reinen AM-Radios T 530 und T 540 haben eine andere, einfachere ZF-Platine, da der UKW-Bereich nicht abgedeckt werden muss. Aber auch hier gibt es die gleichen Probleme mit den Germanium-Transistoren mit 4 Beinchen, hier sind aber AF 117 verbaut. T2 und T3 entsprechen T4 und T5 in den anderen Geräten, die Sollspannungen am Emitter sind dann vergleichbar. Der problematische Kondensator heisst hier C 218 und sitzt an vergleichbarer Stelle.

Ich habe wieder AF 200 als Ersatz verwendet, aber AF 126 und andere gehen sicher auch.

Herzliche Grüße
Gerhard

wickerge
Braun-Spezi
Braun-Spezi
Beiträge: 1166
Registriert: 26.05.2009, 21:52

Re: Reparaturtipps für Kofferradios der 5er-Serie

#9 Beitrag von wickerge » 05.12.2016, 20:23

Schäden von unsachgemäßem Öffnen mindern - komplett Beseitigen geht leider meist nicht mehr:

Die 5er Kofferradios sind für Uneingeweihte nicht leicht zu öffnen (Link zur Anleitung siehe weiter oben). Bei dem Versuch, die beiden miteinander verrasteten Schalen zu trennen, wird offt versucht, mit einem Werkzeug an der Trennfuge zu hebeln. Da das Material der Schalen aber relativ weich ist, führt dies schnell zu unschönen Kerben an den Kanten:
Scharten1.jpg
Man kann diese Scharten mit einer Art smart-repair-Ansatz aber wieder deutlich verkleinern bzw weniger sichtbar machen. Dabei nutzt man die Weichheit des Kunststoffs aus. man nimmt einen gut gebrauchten, d.h. wenig scharfkantigen Schraubenzieher, benetzt die Klinge mit etwas Spülmittel zur Verringerung der Reibung und drückt die Scharten einfach wieder platt. Dabei schiebt man die Klinge entweder parallel zur Kante oder zur Kante hin, je nachdem, wie man das Material verteilen will. Danach zieht das Ganze so aus:
Scharten2.jpg
An der Stirnseite der Kante muss man dann noch etwas nacharbeiten, entweder auch dort mit der Schraubenzieherklinge, oder ggfs auch mit einer kleinen Feile. So sieht es dann fertig aus:
Scharten3.jpg
Wenn man genau hinschaut, sieht man, dass ich die gegenüberliegende Kante auch schon so bearbeitet hatte. Ganz unsichtbar werden die Scharten nicht, aber man erreicht eine deutliche Verbesserung.

Herzliche Grüße
Gerhard

Antworten